20 Jahre Patientenstelle AG/SO - ein Rückblick

Am 26. November 2002 wurde der Verein Patientenstelle Aargau/Solothurn gegründet. Im Interview zum 20-jährigen Jubiläum gewähren uns die ersten Geschäftsführerinnen Verena Enzler und Yvonne Blöchliger, die auch als Beraterinnen tätig waren, einen eindrücklichen Einblick in die Geschichte der Patientenstelle AG/SO.

Sie haben die Anfänge der Patientenstelle AG/SO miterlebt. Was waren die ersten wichtigen Impulse für den Start?

Zu Beginn ging es darum, die Stelle und die Arbeitsweise bekannt zu machen. Vorstellungsbriefe wurden an Organisationen und den Kanton verschickt. Im Herbst boten wir Beratungen zu Krankenkassen an. Regelmässig haben wir auch Medienmitteilungen verschickt. Wichtig war es auch, die Anerkennung für die Arbeit der Patientenstelle zu erreichen.

Anfänglich gab es nur die Patientenstelle Aargau. Als jedoch immer mehr Ratsuchende aus dem Kanton Solothurn kamen, änderten wir den Namen.

Können Sie sich noch erinnern, wie alles begann?

Ja, sehr gut. Das Büro der Patientenstelle befand sich im 4. Stock in den Räumen der Frauenzentrale. Dass sich im Gebäude kein Lift befand, war nicht ideal. Da wir nicht gerade mit Fragen überrannt wurden, war das Arbeitspensum entsprechend klein. Während unserer Abwesenheit hat die Mitarbeiterin der Frauenzentale die Anrufe entgegengenommen. Die Patientenstelle Zürich unterstütze uns damals finanziell und beratend. Die Fälle haben wir mit den dortigen Mitarbeiterinnen besprochen.

Welches waren aus Ihrer Sicht die entscheidenden Schritte für den Erfolg der Patientenstelle AG/SO?

Ein wichtiger Schritt war die Vereinsbildung. Dann die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von der Patientenstelle Zürich. Allmählich stellte sich eine gewisse Akzeptanz unserer Arbeit ein. Zu Beginn war das ziemlich schwierig, da z.B. den Ärzt*innen die Arbeitsweise der Patientenstelle nicht bekannt war. Es ging nicht darum, diese an den Pranger zu stellen und zu kritisieren, sondern die Schlichtung stand im Vordergrund. Oft reichte ein Gespräch zwischen den behandelnden Ärzt*innen und der Patientin/dem Patienten. Mit der Zeit hatten wir ein Netz an Ärzt*innen, die uns Fragen bei möglichen Sorgfaltsverletzungen beantworteten oder ein Patient*innendossier beurteilt haben. Das war sehr hilfreich.

Ein grosser Meilenstein waren die Leistungsverträge mit den Kantonen Aargau und Solothurn zur Führung der Ombudsstellen.

Welche Herausforderungen galt es zu meistern?

Als gemeinnütziger Verein finanziell unabhängig zu sein und auch zu bleiben war eine davon. Ein niederschwelliges Angebot mit geringen Kosten für unsere Kund*innen anbieten zu können, war uns sehr wichtig.

Was zeichnet die Patientenstelle AG/SO aus? Was ist das „Besondere“ und worauf sind Sie stolz?

Die Beratungen standen und stehen allen Menschen offen. Wir verrechneten unseren Aufwand zu einem Sozialtarif, so dass alle Betroffenen die Möglichkeit hatten, Hilfe zu bekommen. Auf Grund der sorgfältigen und engagierten Arbeit hat sich die Patientenstelle einen guten Ruf erschaffen.

Mit welchen Fragen und Anliegen wandten sich die Patient*innen an die Patientenstelle AG/SO?

Die Fragen umfassten ein breites Gebiet: mögliche Fehler bei Behandlungen, Probleme mit Sozialversicherungen, zwischenmenschliche Konflikte, usw. Die Themen haben sich im Laufe der Zeit nicht sehr verändert. Die Anfragen hingen oft mit Berichten in den Medien zusammen. Wurde über missglückte Zahnbehandlungen berichtet, nahmen entsprechende Anfragen zu. Im Herbst gab es vermehrt Beratungen zu Krankenkassen.

Wie gelang es Ihnen, die Rechte der Patient*innen durchzusetzen? Mit welcher Strategie waren Sie erfolgreich?

Nicht immer war es möglich, den Vorstellungen der Ratsuchenden gerecht zu werden, wenn z.B. keine Sorgfaltspflichtverletzung nachgewiesen werden konnte. Es konnte jedoch auch hilfreich sein, wenn wir von der Patientenstelle festgestellt haben, dass kein Fehler vorliegt.

Es gelang auf Grund unserer Schlichtungsarbeit kleinere Entschädigungen zu erreichen in Fällen, die bei Einschalten der Haftpflichtversicherung längere Verfahren nach sich gezogen hätten. Bei Fällen des Sozialversicherungsrechts mussten wir ziemlich hartnäckig sein und sind manchmal ans Versicherungsgericht gelangt. Im Vordergrund stand immer die Schlichtung.

In welchen Situationen war es schwierig, gute Lösungen für die Patient*innen zu finden? Wann stiessen Sie an Grenzen?

Vor allem, wenn die Haftpflichtversicherungen der Leistungserbringer*innen eingeschaltet werden mussten, wurde es schwierig. Mit einzelnen Versicherungen konnten wir verhandeln. Manchmal blieb aber nur der Gang zum Anwalt.

An welches Erlebnis oder an welche Geschichte denken Sie als langjährige Geschäftsleiterinnen/Beraterinnen der Patientenstelle AG/SO besonderes gerne?

Die 85-jährige Ehefrau eines Mannes im Rollstuhl bat uns um Hilfe, weil bei ihrem Mann infolge von zu viel Blutverdünnung und darauffolgenden Einblutungen ins Bein ein Nerv zerstört wurde. Die Versicherung bezahlte zur Freude der Eheleute und auch zu unserer, einen namhaften Betrag.

Wie erlebten die Patient*innen die Beratung und Unterstützung der Patientenstelle AG/SO?

Die Rückmeldungen waren unterschiedlich. In den meisten Fällen waren die Ratsuchenden dankbar. Nicht immer konnten wir die Ansprüche erfüllen, was zu Enttäuschung und entsprechenden Reaktionen geführt hat.

Die Patientenstelle AG/SO führt im Auftrag der Kantone Aargau und Solothurn Ombudsstellen. Als Ombudsfrau sagten Sie, Frau Enzler, 2013 in einem Presseinterview «Ich kann wirklich etwas verändern, dies ist das Schönste an meinem Beruf». Können Sie uns dazu ein Beispiel erzählen?

Da könnte ich viele Beispiele anführen. Ich kann mich jedoch noch gut an eine Gruppe von Bewohner*innen eines Pflegeheims erinnern, die sich zusammengeschlossen und mich um Unterstützung gebeten haben. Dabei ging es um einen roten Teppich in der Cafeteria, der so hell war, dass es in den Augen weh tat sowie um eine Türe in den Garten, die nur schwer zu öffnen war. Nach dem Gespräch mit der Leitung wurde der Teppich ersetzt und die Türe öffnete sich automatisch.

Frau Enzler, Sie arbeiteten 13 Jahre für die Patientenstelle AG/SO. Welche Erfahrungen waren prägend für Ihr Leben?

Da könnte ich sehr viele aufzählen. Mit klärenden Gesprächen konnten viele Missverständnisse aus dem Weg geräumt, negative Vorkommnisse so besser akzeptiert werden. Ich konnte immer wieder feststellen, mit welchem Mut und manchmal mit welcher Gelassenheit Menschen mit schweren Schicksalen ihr Los getragen haben.

In welcher Rolle sehen Sie die Patientenstelle Aargau/Solothurn in Zukunft? Was wünschen Sie der Patientenstelle AG/SO für die nächsten 20 Jahre?

Die Wahrung der Interessen der Patient*innen gehört zu den Hauptaufgaben einer Patientenstelle. Da hat sich in den vergangenen Jahren nicht sehr viel verändert und dies wird weiterhin zu den Herausforderungen zählen.

Als Schlusswort: Welche Botschaft haben Sie an die Mitglieder des Vereins Patientenstelle AG/SO und die Patient*innen?

Es lohnt sich, sich für die Rechte der Patient*innen einzusetzen. Die Klärung von Ereignissen und gegenseitiges Verständnis fördern sind dafür die wesentlichen Aspekte.

Zurück